hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich, die geprägt ist von Zerstörung und Neuaufbau (siehe Zeitafel am Ende dieses Berichts).
In der Mitte des 13. Jhdt. besaß die Kirche einige Reliquien, u.a. ein Stück vom Schwamm, mit welchem Jesus am Kreuz getränkt wurde, Erde von Golgatha, Haar der Jungfrau Maria, Holzsplitter vom Kreuze und vom Stabe Aarons, Teilchen vom Finger Johannes des Täufers sowie Tropfen seines Blutes.
Diese Reliquien wurde nach der Reformation vermutlich zerstört, da sie keine Bedeutung mehr besaßen.
Seit 1736 steht die Stadtkirche in der heutigen Form, jedoch wurden stets daran Veränderungen angebracht. Besonders der Innenraum wurde oft neu gestaltet.
Der Innenraum, so wie er sich heute zeigt, ist ein - im Vergleich zur Geschichte der Kirche - spätes Werk.
Über Jahrhunderte besaßen Kirchen keine Bänke oder Emporen. Bis zur Reformation waren diese nicht notwendig, man stand in der Kirche. Erst mit der Reformation und mit den länger werdenden Predigten wurden Kirchbänke in die Innenräume eingebaut. Im Zeitalter der protestantischen Orthodoxie (17. Jhdt.) dauerten die Predigten leicht 2 - 3 Stunden, manchmal länger. Die Gottesdienste waren vormittagfüllend.
Die Innenraumgestaltung der Rhoder Stadtkirche bietet heute ein sehr interessantes und vom theologischen Inhalt her betrachtet, bemerkenswertes Bild.
Auffällig ist die Kanzel über dem Altar. Dies ist ein Detail einer reformierten Kirche. Da die Waldecker Fürsten - und mit ihnen die waldeckische Kirche - lutherisch waren, "paßt" diese Kanzel eigentlich nicht in diese Kirche. Die Kanzel über dem Altar soll symbolisch verdeutlichen, daß die Predigt (Kanzel) mit dem Abendmahl (Altar) gleichgestellt ist. In lutherischen Kirchen befindet sich die Kanzel neben dem Altar, um die Vorrangstellung des Abendmahles zu verdeutlichen.
Die Kanzel mit ihrem reichen asymmetrischen Goldschmuck und dem roten Baldachin hebt die Bedeutung der Predigt heraus. Der "Kanzeldeckel" diente früher als Schallverstärker, um den Schall nicht im Gewölbe verflüchtigen zu lassen. Durch die Mikrofonanlage hat er diese Bedeutung verloren.
Umso bemerkenswerter, daß sich mit dem Zaun vor dem Altar ein besonders markantes lutherisches Erbe erhalten hat. Der Zaun (in der Fachsprache auch "Paradiesgärtlein" genannt), setzt eine Schranke zwischen dem Abendmahlstisch (Altar) und der Gemeinde. Dadurch bekommt der Altar eine besondere Gewichtung innerhalb des Raumes. Sinnfällig wird dies auch durch die Rhoder Tradition, beim Abendmahl zu knien. Damit wird das Abendmahl auch körperlich besonders gewürdigt.
Beide Elemente - Kanzel und Altarraum - vermischen sich in unserer Kirche zu einer sehr "unierten" Innenraumgestaltung - etwas, was der waldeckischen Kirche eigentlich fremd ist, aber in die heutigen Zeit sehr gut paßt.
Der Altar selbst ist ein schlichter Steintisch, nachdem ein kostbarer Vorgänger 1735 beim Stadtbrand zerstört wurde. Das Altarkreuz wurde in jüngster Vergangenheit ausgetauscht, das alte Kreuz befindet sich im Grünewaldheim.
Vor dem Altar steht der Taufstein - eigentlich ein Tauftisch, auf den die Taufschale gestellt wird. Dieser Tisch ist ein barocker Gartentisch, der vermutlich vom Schloß hierher gekommen ist. Die handwerkliche Bearbeitung des Tisches ist ausgezeichnet, so daß er ein Schmuckstück unserer Kirche darstellt. Das jüngste Ausstattungsteil des Innenraumes ist das Lesepult - dies wurde 1997 von Herrn Walter Okel gestiftet und in der Form der Kanzel nachempfunden. Dadurch kommt auch zum Ausdruck, daß der Platz des Pfarrers und der Kirchenvorsteher annähernd gleichgestellt sind - somit wird die Bedeutung des Kirchenvorstandes auch liturgisch deutlich.
Der ursprüngliche Platz des Kirchenvorstandes waren die Sitzbänke auf der linken Seite des Chorraumes. Damit wurde der Kirchenvorstand in der Öffentlichkeit hervorgehoben, besonders da er dem Fürsten gegenüber saß. Der Fürstenstand auf der rechten Seite des Chorraumes ist durch das waldeckische Fürstenwappen gekennzeichnet. Der Fürst als Landesherr zugleich Bischof der Kirche. Daher hatte er einen besonderen Platz in der Kirche, auch wenn er diesen nicht oft besetzt haben dürfte. Die Zeit als Residenzkirche währte nur kurz, von 1645 bis 1664. Somit wurde deutlich, daß Kirchenvorstand, Pfarrer, Fürst und Gemeinde im Halbkreis um Altar und Kanzel versammelten.
Da diese Hierachien heute keine Bedeutung mehr haben, sind die Bänke des Chorraumes funktionslos geworden.
Eine weitere Besonderheit der Kirche ist ihr abfallender Boden, der ein Sitzen wie im Theater ermöglicht.
Das Tonnengewölbe sorgt für eine gute Akkustik des Raumes, sodaß für die Kirchenmusik ideale Bedingungen herrschen. Dies wird für die vielfältigsten Konzerte in unserer Kirche nutzbar gemacht.
Die Ausmalung wandelte sich auch in jüngster Vergangenheit oft, alte Photos zeigen ganz andere Wandbemalungen, die besonders die Wirkung der Fenster optisch verstärken.
Die abwechslungsreiche Geschichte unserer Kirche macht deutlich, daß Kirchengebäude Ausdruck des Glaubens sind. Glauben, der nicht statisch und ewig gleich ist, sondern durch lebendige Menschen lebendig gestaltet wird. Diese Lebendigkeit drückt sich in unserer Kirche aus. Sie ermutigt uns auch im Blick auf die Zukunft, den lebendigen Glauben auch in der Gestaltung von Räumen zum Ausdruck zu bringen.
Zeittafel
Quellen: 1.) Waldeckische Ortssippenbücher. BD. 51 (Rhoden), Hgg. Waldeckischer Geschichtsverein/Magistrat Diemelstadt, Korbach 1994
2.) Ev. Kirchengemelnde Rhoden: Festschrift zur Einweihung der Orgel am 6. November 1988, Aro1sen 1988
3.) V. Schultze, Waldeckische Reformationsgeschichte, Leipzig 1903
Zusammengestellt von Vikar K. Nobiling 1997
Dieser Beitrag wurde 1997 von dem damals in der Gemeinde tätigen Vikar K. Nobling zusammengestellt und lag als kostenlose Information im Eingangsbereich der Kirche aus.